Samstag, 16. März 2019

Phrygisch-Dominant

Liebe Leser,

vor nicht allzu langer Zeit hatte ich einen Beitrag über die Tonleiter Mixolydisch-b9-b13 → verfasst. Ein Leser stellte hierzu die Frage, ob denn nicht bei einer offensichtlich Phrygischen Tonleiter überhaupt eine b13 angegeben werden müsste, diese sei doch intrinsisch in solchen Skalen. Hm, da ist allerhand zu klären. Auch durchaus auf meiner Seite.

Phrygisch-Dominant


Zunächst musste ich mich erst einmal schlau machen, denn mir war auf den ersten Blick nicht bewusst, dass tatsächlich eine Mixolydisch-b9-b13 (ich mag die b nach der Stufe nicht, wie es bisweilen im Angelsächsischen geschrieben ist, also 9b und 13b) Tonleiter identisch mit einer Phrygischen mit Durterz (bezeichnet Phrygisch-Dominant) ist.

Also: E-Mixolydisch-b9-b13 = E-Phrygisch-Dominant

Nun habe ich mir erklären lassen – ich bin ja nicht gänzlich beratungsresistent – dass einige Musiker es vorziehen, Skalen am liebsten durch die Haupt-Kirchentonleitern plus minimalisierter Abweichung zu beschreiben.

Es ist der selbe Gedanke, den ich schon in dem erwähnten Beitrag ausgebreitet hatte. Ob ich A-Harmonisch-Moll von E bis E' spiele (was man dann als E-HM5 bezeichnet), ob ich in der Tonleiter E-Mixolydisch die 2. und die 6. Stufe um einen Halbton vermindere (was man dann als E-Mixolydisch-b9-b13 bezeichnet) oder ob ich in der Skala E-Phrygisch die Moll- zur Durterz mache (was man als Phrygisch-Dominant bezeichnet), es handelt sich stets um diese Töne:


Ich bin der Ansicht, dass es einfacher ist, mit den Modi der drei Molltonleitern (Natürlich/Äolisch, Harmonisch und Melodisch →) zu arbeiten, als immer wieder aufs Neue einen Modus der Durtonleiter zu alterieren. Zudem, und das stört mich am meisten, geht durch die Modifikation im Sinne einer möglichst kleinen Abweichung der Bezug zur "Mutterskala" des Tonraums einer Verbindung verloren.

Weist zum Beispiel Mixolydisch-b9-b13 noch zumindest auf einen Septakkord hin, muss man bei Phrygisch-Dominant schon "ums Eck" denken. Klar, findet man einen III7 (also einen Dominantseptakkord auf der eigentlich von einem Mollakkord besetzten 3. Stufe) – was ja zum Beispiel bei meiner Analyse von "The Nearness of You" → tatsächlich aufgetaucht ist – liegt der Gedanke an Phrygisch-Dominant durchaus nahe. Aber es ist eben für mich nicht mein erster.

Wir Gitarristen haben den Vorteil, dass wir anhand der Griffbilder einer Verbindung schon deren Tonart bzw. Tonraum bestimmen oder zumindest erahnen können. Sehen wir zum Beispiel


also in Akkordsymbolschrift Bmin7/b5 - E7 - Amin7

Für mich ist das einfach eine 2-5-1 in A-Harmonisch-Moll, also zumindest ungefähr. Dass dies nicht wirklich korrekt ist, weil die Molltonika ein Amin-maj7 sein müsste, ist mir bekannt, stört mich aber nicht (da ich zumeist Äolisch- und Harmonisch-Moll fröhlich mische).

Wie so oft ist natürlich eine andere Sichtweise auf die einzelnen Skalen wie

B-Lokrisch - E-Phrygisch-Dominant - A-Äolisch

nicht schlechter oder gar weniger korrekt als das etwas schwammige "alles A-Harmonisch-Moll, außer eventuell beim Amin selbst", insbesondere, wenn man vorhat, beim Amin den Tonraum zu verlassen um zum Beispiel A-Dorisch an dieser Stelle zu spielen. Wer seine Skalen ohnehin pro Akkord festlegt, hat prinzipiell weniger Probleme mit irgendwelchen taktübergreifenden Tonräumen.

Ihr seht schon, ich komme beim Plädoyer in eigener Sache schon ins Trudeln. Gerade im aktuellen Beispiel ist eine Bevorzugung einer der drei Bezeichnungen HM5 / Mixolydisch-b9-b13 / Phrygisch-Dominant gar nicht so leicht zu verargumentieren. Vielleicht ist es ja für mich leichter, innerhalb einer Skala leichter griffige Patterns für ein Solo zu entwickeln bzw. solche live abzurufen. Möge als Quintessenz bleiben, dass jeder die Benennung halten kann, wie er möchte.

Und um auf die eingangs gestellte Frage des Lesers zurückzukommen: Natürlich muss in der Skala Mixolydisch-b9-b13 die Alterierung b13 angegeben werden. In einer unveränderten Mixolydischen Skala kommt nur die große Sexte bzw. 13 vor. Dass in Phrygisch die b13 diatonisch ist (und ja tatsächlich nicht angegeben wird) hat aber mit der Herleitung aus der Mixolydischen nichts zu tun.

Ende des Herumgeeieres. Viel Spaß mit HM5... oder Mixolydisch-b9-b13... oder wegen mir auch Phrygisch-Dominant...

Euer

Gige

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